Kleine Chance auf Rekord gegen Melsungen

Vier schwer verdauliche Brocken bekommen die Erstliga-Handballer des TVB Stuttgart bis zum Jahresende vorgesetzt, zum Auftakt gastiert an diesem Donnerstag (19 Uhr) die MT Melsungen in der Scharrena. Mit einem Sieg hätte der TVB Historisches geschafft: Noch nie hat er in der ersten Liga drei Spiele in Serie gewonnen.

Nach den beiden Siegen gegen Nordhorn und Wetzlar hat der TVB mit zehn Punkten sein Minimalziel für die Hinrunde erreicht. Den einen oder anderen Bonuspunkt indes gegen Melsungen (6. Platz), Kiel (1.), Hannover (4.) und Berlin (7.) könnte das Team von Trainer Jürgen Schweikardt noch gut gebrauchen – schließlich ist den nur vier Zähler schlechter platzierten Eulen Ludwigshafen derzeit alles zuzutrauen. Bei den heimstarken Balingern holten sie ein Unentschieden, in Magdeburg führten sie bis kurz vor Schluss. Und der kommende TVB-Gegner MT Melsungen rettete mit einem glücklichen Freiwurf mit der Schlusssirene beide Punkte.

Melsungen ist gut im Rennen

Das zeigt zum einen die Unberechenbarkeit der Eulen – und zum anderen, dass die Melsunger durchaus in die Bredouille zu bringen sind. In Balingen musste sich die Mannschaft von Trainer Heiko Grimm sogar mit 23:36 geschlagen geben. Ansonsten jedoch spielt der Vorjahresfünfte so, wie es die Experten vor der Saison erwartet hatten: wie ein Spitzenteam. Mit drei Punkten Rückstand auf Rang zwei ist Melsungen gut im Rennen, zudem hat es sich für die Gruppenphase im EHF-Cup und das DHB-Final-Four-Turnier in Hamburg qualifiziert.

„Individuell ist Melsungen überragend besetzt“, sagt der TVB-Trainer Jürgen Schweikardt. „Es gehört für mich unter die ersten vier.“ Mit dem Shooter Julius Kühn, dem Abwehrchef Finn Lemke, dem Ex-Bittenfelder und Neuzugang Kai Häfner sowie dem Rechtsaußen Tobias Reichmann spielt die halbe deutsche Nationalmannschaft bei der MT. Sehr stark besetzt ist sie auch im Tor mit Nebojsa Simic und Johan Sjöstrand sowie am Kreis mit dem kroatischen Nationalspieler Marino Maric. Ein Wiedersehen gibt es mit dem ehemaligen TVB-Spieler Stefan Salger, der zur aktuellen Saison aus Ludwigshafen zur MT stieß. Außerdem begegnen sich die Brüder Kai und Max Häfner. „Um eine Chance zu haben, müssen die Melsunger einen schwächeren Tag erwischen“, sagt Schweikardt. „Wir müssen gut verteidigen und vorne entschlossen spielen.“ In Wetzlar war dies, trotz des Sieges, nicht immer der Fall. Unterschätzen, da ist sich der Trainer sicher, werde Melsungen sein Team nicht. Zumal es in den vergangenen beiden Spielzeiten eine negative Bilanz gegen Stuttgart hatte: In vier Vergleichen ging der Favorit nur einmal als Sieger vom Spielfeld, in der vergangenen Saison setzte sich der TVB mit 30:26 und 26:24 durch.

Fraglich ist, ob Adam Lönn mitwirken kann: Der Schwede hat sich in Wetzlar eine Zerrung in der Schulter zugezogen. Robert Markotic kränkelte zuletzt, auch sein Einsatz ist unsicher.

Quelle: Thomas Wagner, ZVW


Jubeltänze des TVB nach verrücktem Spiel

Mucksmäuschenstill wurde es in der mit 3964 Fans besetzten Wetzlarer Rittal-Arena, nachdem der finale Freiwurf von Stefan Cavor im Block der Stuttgarter Abwehr hängengeblieben war. Dann gab’s kein Halten mehr für die TVB-Spieler und -Verantwortlichen: Mit dem 28:27-Sieg (15:15) sammelte der TVB die Punkte neun und zehn in der Handball-Bundesliga. „Es hat Spaß gemacht heute mit der Mannschaft“, sagte hernach der starke TVB-Torhüter Johannes Bitter. „Ich hätte das Spiel gerne als Zuschauer verfolgt, es gab viele Fehler, aber auch gute Aktionen von beiden Seiten.“

In der Tat. Es war eine Begegnung mit vielen Höhen und Tiefen. Kaum hatten die Fans ihre Mannschaft abgeschrieben, rappelte sie sich wieder auf, und der Gegner schwächelte. Am Ende behielt der TVB die Nerven, profitierte vom durch die jüngsten Auftritte gewonnenen Selbstvertrauen. Und er konnte sich wieder auf den überragenden Linksaußen Patrick Zieker verlassen, der bei neun Torabschlüssen ohne Fehlwurf blieb.

Von Beginn an ging’s flott dahin in der Rittal-Arena. Der TVB kam gut aus den Startlöchern, führte nach fünf Minuten mit 5:2. Dann fasste sich Adam Lönn an die Schulter, setzte sich auf die Auswechselbank und kam nur noch sporadisch zum Einsatz. Der TVB verlor etwas die Ordnung, mit einem 3:0-Lauf holte sich Wetzlar beim 5:4 (8.) die erste Führung. Die holte sich der TVB während einer Zeitstrafe gegen Lenny Rubin wieder zurück: Zieker und Manuel Späth trafen zum 9:7 jeweils ins leere HSG-Tor (15.).

Das Heimteam wirkte nun verunsichert, leistete sich viele leichte Fehler. Späth und erneut Zieker brachten die Stuttgarter mit 11:8 in Vorteil. Der HSG-Trainer Kai Wandschneider versuchte, den Lauf des TVB mit einer Auszeit zu stoppen und seine Mannschaft aufzumuntern. „Behaltet eure Linie bei, eigentlich sind wir besser.“

Das war Wetzlar zwar nicht, obgleich auch dem TVB etliche Aktionen missglückten. Der Rückraum mit Dominik Weiß, Rudolf Faluvégi und David Schmidt kam nicht in die Gänge. Nach 20 Minuten brachte der TVB-Trainer Jürgen Schweikardt Max Häfner für den glücklosen Faluvégi auf der Spielmacher-Position. Zarko Pesevski und Häfner mit einem tollen Unterarmwurf sorgten für die 13:8-Führung (21.).

Dieses Polster gaben die Gäste rasch und leichtfertig aus der Hand. Wetzlar nutzte die technischen Fehler und glich mit einem 7:2-Lauf binnen neun Minuten zur Pause zum 15:15 aus.

Auch im zweiten Spielabschnitt agierte der TVB unsicher und unkonzentriert. Wetzlar hatte wenig Mühe, auf 19:16 (37.) davonzuziehen. Den Gästen, die acht Minuten ohne Tor blieben, schien die Partie vollends zu entgleiten. Nach dem 20:17 (40.) versuchte es der TVB mit dem siebten Feldspieler. Diese Maßnahme funktionierte jedoch nicht, weil das Team seine Fehler nicht abstellte und aus dem Rückraum zu wenig Druck entwickelte.

Doch plötzlich waren die Stuttgarter wieder zurück. Bitter wurde immer stärker, hielt einen Strafwurf von Maximilian Holst. Die Abwehr schuftete, und vorne nutzten die Gäste ihre Chancen. Häfner, Tim Wieling per Konter und der unglaubliche Zieker von Linksaußen glichen zum 20:20 aus (45.). Der starke Späth klaute dem Gegner einen Ball und versenkte ihn zum 21:20, Weiß legte zum 22:20 nach (48.). Späth blieb hellwach und traf zum 25:22 ins verwaiste Wetzlarer Tor (51.).

Es passte zum Spiel, dass es noch längst nicht entschieden war. Nach drei Toren der HSG zum 25:25 (55.) blieb Zieker cool, er brachte sein Team mit einem Doppelpack zum 27:25 wieder in Vorteil. Doch auch nach Zarko Pesevskis Treffer zum 28:26 zwei Minuten vor dem Ende hatte der TVB den Sieg noch nicht in der Tasche. Anton Lindskog verkürzte zum 27:28, im Gegenzug scheiterte Häfner am Block. So blieben dem Heimteam nach einer Auszeit noch 26 Sekunden zum Ausgleich. Doch auch mit dem siebten Feldspieler schaffte es die HSG Wetzlar nicht, gegen die unermüdliche Stuttgarter Abwehr zum Abschluss zu kommen.

Damit war der dritte Saisonsieg des TVB unter Dach und Fach.

HSG Wetzlar: Klimpke (1), Ivanisevic; Feld (1), Björnsen (3), Mirkulowski (2), Torbrügge, Weißgerber, Öfers, Holst (5/2), Schefvert (3), Rubin (2), Lindskog (4), Kristjansson (2), Cavor (4),

TVB Stuttgart: Bitter, Hummel; Häfner (3), Asgeirsson, Weiß (2), Faluvégi (2), Späth (3), Lönn (1), Markotic (1), Röthlisberger, Zieker (9/2), Pfattheicher (1), Pesevski (3), Schmidt (2), Wieling (1).

Quelle: Thomas Wagner / ZVW

Die Stimmen zum Sieg gegen die HSG Wetzlar

Jürgen Schweikardt: Wir sind natürlich überglücklich, dass wir heute hier zwei Punkte mitgenommen haben, die für uns sehr bedeutend sind. Wir hatten wie so oft heute ein Handballspiel mit vielen Phasen, sind gut in das Spiel reingekommen und waren in der ersten Hälfte dann auch schon mal ein paar Tore weg. Das haben wir aber sehr schnell wieder abgegeben und laufen sogar vor der Pause noch Gefahr, den Anschluss ein bisschen zu verlieren, was wir aber verhindern können. Es wundert mich jedoch, dass wir kurz nach der Pause haben abreißen lassen und auch ein wenig den Glauben verloren haben, hier etwas mitzunehmen. Wir haben uns jedoch dann wieder ran gekämpft und am Ende wird es ein ganz enges Spiel, was am Ende endlich auch mal zu Gunsten von uns ausgegangen ist.

Kai Wandschneider: Ich finde, Stuttgart hat heute sehr gut gedeckt, vor allem in der zweiten Halbzeit. Wir haben, als wir mit drei Toren (19:16) geführt haben, keine Lösung gefunden und machen dann einfache Fehler, wodurch wir Stuttgart in so einer entscheidenden Phase wieder aufgebaut haben. Wir lagen in der ersten Halbzeit schon mal mit fünf Toren hinten, da haben wir echt Moral bewiesen und zur Pause ausgeglichen. Ich denke, es hat bei uns am Angriff gelegen und Stuttgart hatte hinter einer guten Abwehr noch einen starken Jogi Bitter stehen.

Patrick Zieker: Es war heute ein wildes Hin und Her. Gefühlt hatten beide Mannschaften Phasen, wo sie nicht das auf die Platte bringen konnten, was sie sich vorgenommen hatten. Wir waren nicht damit zufrieden, wie wir die ersten zehn Minuten der zweiten Hälfte aufgetreten sind. Das haben wir aber zum Glück wieder in den Griff bekommen und uns dann dieses zwei Tore Polster herausarbeiten können. Zum Schluss haben wir es dann auch abgezockt runtergespielt.

TVB erkämpft sich zwei Punkte in Wetzlar

Die WILD BOYS besiegen die HSG Wetzlar in einer spannenden mit Partie mit 27:28 in der Rittal Arena und feiern ihren dritten Saisonsieg.

Die HSG Wetzlar startete mit Ballbesitz in die Partie, Bitter parierte direkt den ersten Wurf und so fiel das erste Tor des Spiels für den TVB Stuttgart durch Faluvégi. In der 5. Spielminute netzte Pfattheicher zur ersten zwei Tore Führung für Stuttgart ein, nachdem zuvor Mirkulovskis Wurf neben das Tor von Bitter ging. Dann kam auch Wetzlar besser ins Spiel und Peshevski beendete in der 9. Minute einen 3:0 Lauf der Gastgeber durch seinen Treffer zum 5:5. 

Nach einer kurzen ausgeglichenen Phase unterliefen der HSG dann zu viele Fehler, welche die WILD BOYS ausnutzen konnten. Dies bedeutete nach 21 Minuten eine Fünf-Tore-Führung für das Team von Jürgen Schweikardt. Wetzlar jedoch kämpfte sich wieder ran und bekam kurz vor der Halbzeit sogar noch die Chance auf eine Führung, welche Feld jedoch nicht nutzen konnte. Mit 15:15 ging es in die Pause.

Die Hausherren kamen besser zurück aus der Pause. Vom 7-Meterstrich netzte Holst in der 37. Minute zum 19:16 ein, was die bis zu diesem Zeitpunkt höchste Führung für Wetzlar bedeutete. Durch eine 7-Meterparade von Bitter konnte Wetzlar nicht mit vier Toren davon ziehen und der TVB blieb dran. 

Der TVB nutzte die wieder vermehrt auftretenden Fehler der HSG, so stand nach 48. Minuten ein 6:1 Lauf und eine erneute zwei Tore Führung für die Stuttgarter auf der Anzeigetafel – 20:22.  Entsprechend dem Verlauf der gesamten Partie gelang es dem TVB nicht die Führung zu halten, weshalb es Wetzlar nach 55. Minuten gelang auf 25:25 zu stellen. 

In einer spannenden Schlussphase waren die Gäste immer wieder mit zwei Toren vorne, Wetzlar gelang es aber immer wieder ranzukommen. Beim Stand von 27:28 ertönte die Sirene schon, es gab aber noch einen letzten direkten Freiwurf für die Heimmannschaft, der aber vom TVB-Block abgewehrt wurde. So konnten die WILD BOYS das Spiel am Ende knapp für sich entscheiden. 

Bitter, Schmidt, Zieker im DHB-Kader

Nach dem spektakulären Pokal-Match gegen den THW Kiel geht’s für den Handball-Erstligisten TVB Stuttgart am Samstag (20.30 Uhr) in der Liga bei der HSG Wetzlar weiter – mit Selbstvertrauen. Auch, weil die jüngsten Leistungen nun von höchster Stelle belohnt worden sind: Am Donnerstag hat der Bundestrainer Christian Prokop seinen 28-Mann-Kader für die Europameisterschaft im Januar bekanntgegeben. Vom TVB sind Torhüter Jogi Bitter, Linksaußen Patrick Zieker und Rückraumspieler David Schmidt dabei.

„Das ist ein Riesenerfolg für unseren Verein und die Spieler“, sagt der Trainer Jürgen Schweikardt. „Es zeigt, dass wir in unserer Entwicklung auf dem richtigen Weg sind.“ Bis zum Start der EM-Vorbereitung am 2. Januar muss Prokop zehn Spieler aus dem Aufgebot streichen – und zwei weitere bis zum Start der Vorrunde.

Auch wenn die Berufenen von der Nominierung für den endgültigen Kader träumen: Die Konzentration liegt auf den letzten fünf Spielen bis zur EM-Pause. Gilt die Tabelle als Maßstab, stehen die Chancen auf den dritten Saisonsieg beim Tabellenzehnten HSG Wetzlar am besten. Theoretisch, denn die Erfahrungen des TVB mit dem Team von Trainer Kai Wandschneider sind nicht besonders gut: In der Saisonvorbereitung kassierte Stuttgart eine deftige 21:37-Packung.

Die Wetzlarer spielen seit Jahren eine gute Rolle in der Bundesliga. Trotz eines recht bescheidenen Etats gerieten sie nie in Abstiegsgefahr. „Wetzlar hat das Potenzial für einen Platz unter den ersten zehn“, sagt Schweikardt. Wie der TVB, so klaute auch die HSG den Flensburgern einen Punkt. Den SC Magdeburg zwangen sie mit 29:28 in die Knie, zuletzt überzeugten sie beim 31:25-Sieg in Erlangen. „Wetzlar ist Favorit, aber wir fahren nicht hin, um die Punkte abzuliefern.“ Nach wie vor angeschlagen ist Adam Lönn (Fersenprellung). Mit einem Sieg in Wetzlar könnte der TVB den Abstand auf die Abstiegsplätze auf vier Punkte vergrößern.

Quelle: Thomas Wagner / ZVW

Drei TVB-Spieler im Aufgebot der Nationalmannschaft

Bundestrainer Christian Prokop hat gleich drei Spieler des TVB Stuttgart in den vorläufigen 28er-Kader für die bevorstehende Europameisterschaft in Norwegen, Schweden und Österreich berufen. Torhüter Johannes Bitter, Rückraumspieler David Schmidt und Linksaußen Patrick Zieker wurden von Prokop berücksichtigt.

Damit stellt der TVB zum ersten Mal in seiner Klubgeschichte drei deutsche Nationalspieler auf einmal ab. Das Turnier startet am 10. Januar 2020 und endet mit dem Finale am 29. Januar 2020 in Stockholm. Die Bekanntgabe des endgültigen 16er-Kaders für die Europameisterschaft erfolgt am 8. Januar beim Technical Meeting in Trondheim.

Patrick Zieker hat in der bisherigen LIQUI-MOLY HBL-Saison 78 Tore in 14 Spielen erzielen können und weist dabei eine Trefferquote von 76% auf. David Schmidt verpasste aufgrund einer Verletzung aus der Vorsaison zwar den Rundenstart, ist aber seit 11 Spielen auf der rechten Rückraum-Position gesetzt und traf seither 52 Mal. Insgesamt war Schmidt in 43 Partien für den TVB 184 Mal erfolgreich.

Johannes Bitter, der bereits in der Vergangenheit 144 Spiele für die Nationalmannschaft absolvierte und 2007 die Weltmeisterschaft gewann, kehrt somit nach seiner letzten Nominierung im Dezember 2017 wieder in die Auswahl des DHB zurück. In der laufenden Saison führt der 2,05 Meter große Bitter mit 138 Paraden die Torhüter-Statistik des deutschen Handball-Oberhauses an.  

„Wir freuen uns sehr für Patrick, David und Jogi. Diese Nominierung bestätigt ihre konstant guten Leistungen in den vergangenen Monaten. Darüber hinaus macht es auch uns als Verein stolz, gleich drei Spieler des Nationalmannschaftskaders stellen zu dürfen. Das ist ein beeindruckendes Indiz für die Entwicklung, die dieser Verein in den letzten Jahren genommen hat. Wir drücken unseren Jungs die Daumen und wünschen ihnen, dass sie den Sprung in den endgültigen Kader schaffen“, so TVB-Geschäftsführer Jürgen Schweikardt.

TVB verpasst die Sensation

An dieses Spiel werden sich die 2095 Fans in der Stuttgart Scharrena noch lange erinnern – nicht nur, weil eine Partie bereits zum zweiten Mal in dieser Saison wegen eines Feueralarms für über eine halbe Stunde unterbrochen werden musste. Der Handball-Erstligist TVB Stuttgart verpasste nach einer grandiosen Leistung den Einzug ins Halbfinale des DHB-Pokals nur knapp. Der Titelverteidiger THW Kiel kam beim 35:34-Sieg (18:15) mächtig ins Schwitzen.

Die Abkühlung nach einem aufregenden und hochklassigen Viertelfinale bekamen die Fans schon nach 36 Minuten: Wie am 10. Oktober gegen den TBV Lemgo wurden sie von der freundlichen Stimme aus den Lautsprechern aufgefordert, unverzüglich die Halle zu verlassen. Über eine halbe Stunde warteten sie draußen, erneut war ein Feueralarm (oder Fehlalarm?) ausgelöst worden. In den restlichen 24 Minuten heizten die Süddeutschen den Norddeutschen kräftig ein. Am Ende waren die Kieler heilfroh, den Sieg ins Ziel gerettet zu haben.

Vom Start weg war der TVB gut im Spiel, 5:5 stand’s nach acht Minuten. Nach und nach zeichnete sich jedoch ab, wo der Außenseiter seine größte Baustelle hatte: Ausgerechnet im Tor, wo doch eigentlich Jogi Bitter den Unterschied ausmachen sollte, um eine Chance gegen den deutschen Rekordmeister zu haben. Der Weltmeister kam jedoch überhaupt nicht in den Flow, in den ersten 30 Minuten hielt er keinen einzigen Ball. Da nutzte das ordentliche Angriffsspiel des TVB nicht allzu viel. Mehrmals setzten sich die Kieler auf drei Tore ab, mehr indes ließ das Heimteam nicht zu. Ein gutes Spiel machte Dominik Weiß, der sich immer wieder durchsetzte. 12:9 führten die Gäste nach 20 Minuten, dann ersetzte Nick Lehmann Jogi Bitter. Doch auch der Nachwuchsmann bekam keinen Ball zu fassen. Dennoch blieb der TVB dran, weil er sich keine großen Fehler erlaubte und auch die Deckung ordentlich arbeitete. Für den ersten Vier-Tore-Vorsprung der Kieler sorgte Ole Rahmel beim 16:12 (27.). Wichtig war für den TVB, dass er die Zebras nicht noch vor der Pause enteilen ließ. Das gelang auch, beim 15:18-Rückstand war noch alles möglich.

Mit viel Tempo starteten die zweiten 30 Minuten, es entwickelte sich eine rasante Partie. Plötzlich war Bitter im Spiel, hielt drei Bälle in Folge. Bei 19:20 durch den starken Zieker war der TVB wieder dran (35.) – und kam nach der 40-minütigen Unterbrechung, wie schon gegen Lemgo, komplett aus dem Tritt. Binnen fünf Minuten zog der THW vom 22:19 zum 27:20 davon. Eine Viertelstunde vor dem Ende schien das bereits die Vorentscheidung zu sein.

Doch der TVB biss sich mit einer tollen kämpferischen Leistung zurück. Die Kieler waren plötzlich verunsichert, zweimal traf der TVB ins leere Tor. Beim 26:29 (47.) war die Partie wieder offen. Und das Team von Trainer Jürgen Schweikardt glaubte an die Sensation, kämpfte in der Abwehr um jeden Zentimeter und spielte vorne mutig. Nach David Schmidts sechstem Tor zum 29:31 tobte die Halle. Die Kieler hatten Glück, das Niklas Ekberg vom Siebenmeterstrich keine Nerven zeigte und alle sieben Würfe versenkte.

Sechs Minuten vor Schluss wuchtete Adam Lönn den Ball zum 32:33-Anschluss ins Kieler Netz, Hendrik Pekeler traf zum 32:34. Manuel Späth hielt per Konter zum 33:34 die Hoffnung am Leben, Ekberg traf erneut – 33:35. Späths Treffer zum 34:35 kam zu spät.

TVB Stuttgart: Bitter, Lehmann; Häfner (3), Asgeirsson, Weiß (5), Faluvégi (1), Späth (3), Lönn (4), Markotic, Röthlisberger, Zieker (6/3), Pfattheicher, Pesevski (3), Schmidt (7), Wieling (1).

THW Kiel: Niklas Landin, Quenstedt; Duvnjak, Reinkind (4), Magnus Landin (3), Weinhold, Wiencek (2), Ekberg (10/7), Rahmel (1), Dahmke (3), Zarabec (2), Horak, Bilyk (6), Pekeler (3), Nilsson (1).

Quelle: Thomas Wagner / ZVW

Die Stimmen zum Pokalspiel gegen den THW

Jürgen Schweikardt: Glückwunsch an den THW Kiel. Zunächst möchte ich mich für die Unterbrechung entschuldigen. Das ist nun bereits zum zweiten Mal bei uns in dieser Halle vorgekommen. Auch bei anderen Veranstaltungen ist dies bereits vorgefallen. Bedauerlicherweise war kein Verantwortlicher der Stadt bei diesem wichtigen Spiel hier vor Ort. Das ist eine Sache, die so nie wieder passieren darf und enorm peinlich für uns als Verein ist. Ich bin unheimlich stolz auf meine Mannschaft und was sie heute geleistet hat – ich hatte Gänsehaut. Hoffentlich ziehen die Jungs die positiven Aspekte aus dieser sehr guten Partie.

Filip Jicha: Wir sind sehr glücklich, dass wir das Spiel gewinnen konnten. Nach dem anstrengenden Programm der letzten Wochen war es ein großer Kraftakt für uns. Wir wussten, was uns heute erwartet. Stuttgart hatte nach dem Sieg gegen Nordhorn nochmal Selbstvertrauen getankt. Das heutige Spiel zeigt auch, dass der Pokal seine eigenen Gesetze hat. Es war eine Partie mit vielen Höhen und Tiefen, worauf die ungewöhnliche Pause einen Einfluss darauf hatte. Wir sind gut aus der Halbzeit gekommen und führen dann mit sieben Toren. Am Ende haben wir ein bisschen den Fokus verloren. Dadurch kommt Stuttgart zurück ins Spiel. Es lässt sich festhalten, dass Stuttgart bis zum Ende gekämpft hat. Wir sind sehr froh, dass wir das Final Four erreichen konnten.

Patrick Zieker: Es ist unfassbar bitter und enttäuschend, dass wir ausgeschieden sind. Man hat an den Emotionen von Kiel gemerkt, dass sie über 60 Minuten gezittert haben. Am Ende steht dann ein Stück die individuelle Qualität von Kiel über dem, was wir heute gezeigt haben. Am Ende war der THW einfach immer dieses eine Tor, das letztlich gereicht hat, vorne. Es gilt jetzt die Köpfe möglichst schnell frei zu bekommen und dann bereiten wir uns auf das Auswärtsspiel in Wetzlar vor.

Denkbar knappe Niederlage nach einem tollen Pokalfight

Schmidt, Weiß, Faluvégi, Wieling, Zieker, Späth und Bitter – diese Startaufstellung schickte Jürgen Schweikardt ins Rennen, um Vereinsgeschichte zu schreiben.

Dominik Weiß traf gleich im ersten Angriff für die Stuttgarter. Nach fünf gespielten Minuten stand es 3:3, wodurch sich ein offener Schlagabtausch beider Teams abzeichnete. Durch Harald Reinkind konnte der THW erstmals in Führung gehen. Einige Fehlwürfe der Stuttgarter verhinderten den erneuten Ausgleich, weshalb Niclas Ekberg und Magnus Landin die Führung auf 5:8 ausbauen konnte. David Schmidt und Max Häfner verkürzten zwar in der 15. Spielminute, allerdings konnte die Abwehr des TVB den Kieler Angriff nicht stoppen. Nach 22 gespielten Minuten stand es 10:12 für die Gäste.

Kiel blieb geduldig im Angriff und baute durch Ole Rahmel die Führung drei Minute vor der Halbzeit auf vier Tore aus. Weiß und Späth verkürzten indes erneut auf 12:14. Mit dem Halbzeitpfiff traf Landin von rechts außen zum 15:18.

Der Beginn der zweiten Halbzeit gestaltete sich sehr temporeich. Nach drei gespielten Minuten stand es 17:20, nicht zuletzt aufgrund zwei Paraden von Jogi Bitter. Schmidt verkürzte auf zwei Tore, kurz darauf gelang Peshevski der Anschlusstreffer zum 19:20.

Nach einer unfreiwilligen Unterbrechung wurde das Spiel nach rund 30 Minuten wieder angepfiffen. Kiel traf per Strafwurf zur 4-Tore-Führung. Nach 40 gespielten Minuten konnte sich der THW beim Stand von 19:25 und 20:27 weiter absetzen. Der TVB schien nicht zurück ins Spiel zu finden.

Nach einer erneuten Auszeit von Schweikardt brachten die Tore von Häfner, Lönn und Schmidt Stuttgart zurück ins Spiel. Die Anzeigetafel zeigte nun 24:28 für die Gäste. Lönn gelang im Gegenstoß das 26:29. Nach Parade von Bitter kommt der TVB zehn Minuten vor dem Ende durch Zieker auf zwei Tore ran. Der in der zweiten Halbzeit stärker aufspielende Bitter verhinderte das Gegentor, während Lönn den Anschlusstreffer erzielen konnte.

Pekeler traf vom Kreis in der 58. Spielminute zum 32:34. Der TVB lies in dieser Phase zwei wichtige Wurfversuche liegen und schaffte es nicht, den Ausgleich zu erzielen. Späth klaute sich dennoch den Ball und verwandelte den Anschlusstreffer im Gegenstoß eine Minute vor Schluss.

Die Zeit reichte beim Stand von 34:35 nicht aus, um in Ballbesitz zu kommen. Dennoch zeigte der TVB einen tollen Pokalfight und musste den THW letztlich denkbar knapp ins Final Four einziehen lassen.

Spiel des Jahres: TVB träumt vom Pokal-Halbfinale

Dürfen die Erstliga-Handballer des TVB Stuttgart bereits zwei Tage nach dem Sieg gegen die HSG Nordhorn-Lingen erneut jubeln? Es wäre eine faustdicke Überraschung, schließlich kommt im Viertelfinale des DHB-Pokals an diesem Dienstag (20 Uhr) der Titelverteidiger und Meisterschaftsfavorit THW Kiel in die Scharrena. „Es ist ein großes Ziel und eine einmalige Chance für uns“, sagt der Trainer und Geschäftsführer Jürgen Schweikardt – der TVB träumt vom Final Four in Hamburg.

Es wäre eine Premiere für den TVB, eine andere erlebte er am Sonntag: Zum ersten Mal hatte Sky ein Scharrena-Spiel des TVB als sogenanntes Top-Spiel ausgewählt. Geschuldet war diese Ehre dem Tabellenstand der Kontrahenten, schließlich erwartete der Drittletzte Stuttgart das Schlusslicht HSG Nordhorn-Lingen. Fünf Kameras waren in der kleinen Scharrena aufgebaut, 24 Personen des Bezahlsenders hatten sich akkreditieren lassen. Als Co-Kommentator fungierte Martin Schwalb.

Der ehemalige Trainer des HSV Hamburg sah wie die 2169 Fans eine recht einseitige Partie, der TVB hatte den Gegner jederzeit unter Kontrolle. Letztlich schmeichelte die 24:29-Niederlage den Nordhornern. Die Höhe des Sieges war für den Stuttgarter Trainer zweitrangig. „Wir haben zum wiederholten Mal eine stabile Leistung gezeigt, das ist für mich entscheidend“, sagte Jürgen Schweikardt am Tag danach. Und sein Team bewies wieder einmal Nervenstärke in diesem so wichtigen Spiel. „Die Anspannung war zwar da, aber nicht über Gebühr.“ Vor dem 27:23-Sieg in Ludwigshafen vor knapp zwei Monaten sei sein Team in einer ähnlich schwierigen Situation gewesen. „Aber natürlich ist uns allen ein großer Stein vom Herzen gefallen.“

Mit dem saisonübergreifend erst zweiten Sieg in den jüngsten 22 Spielen hat sich der TVB um einen Platz in der Tabelle verbessert, bei nur zwei Punkten Abstand auf die Abstiegsplätze bleibt die Lage jedoch schwierig. Bevor das Schweikardt-Team am Samstag in Wetzlar einen weiteren Anlauf auf die nächsten Punkte nimmt, steht an diesem Dienstag ein ganz besonderes Duell auf dem Programm: ein K.o.-Spiel gegen die Kieler Zebras. Nur ein Sieg ist der TVB vom größten Erfolg in seiner Vereinsgeschichte entfernt, dem Erreichen des Final Four Anfang April in Hamburg.

„Wir freuen uns riesig auf das Spiel“, sagt Schweikardt. „Wir können endlich einmal ohne den großen Druck spielen.“ Indes: Sollte Kiel seine Normalform auf die Platte bringen, wird für den TVB im Viertelfinale Endstation sein. „Falls nicht, müssen wir da sein.“ Schon dreimal in dieser Saison hat der TVB bewiesen, dass er die Großen ärgern kann – Magdeburg, Flensburg und die Rhein-Neckar Löwen.

Die Vorbereitung auf das Saison-Highlight begann für Schweikardt direkt nach dem Liga-Spiel am Sonntagabend. Nur ein ganzer Tag bleibt Zeit, mehr ist nicht drin. „Es war klar, dass wir uns zunächst ausschließlich auf Nordhorn konzentrieren werden“, so Schweikardt.

Die größte Veränderung bei den Zebras gab’s auf der Trainerbank: Der bisherige Co-Trainer Filip Jicha hat Alfred Gislason ersetzt – und es sieht so aus, als ob der Übergang nahtlos vonstattengegangen ist. Nach dem 33:32-Sieg gegen Montpellier, den Champions-League-Sieger von 2018, gehen die Kieler als Tabellenführer in ihrer Champions-League-Gruppe ins neue Jahr. In der Bundesliga steht der THW nach Minuspunkten an der Tabellenspitze – und damit genau dort, wo ihn viele Experten nach vier Spielzeiten ohne Meisterschaft am Ende dieser Saison vermuten. Auch Schweikardt schätzt die Zebras in dieser Saison einen Tick stärker ein als die Konkurrenz. Anders als vor vielen Jahren sei Kiel aber nicht mehr unschlagbar. Einen exquisiten Kader hat der THW Kiel jedoch nach wie vor beinander, da lässt sich auch der verletzungsbedingte Ausfall von Domagoj Duvnjak verschmerzen.

Verloren haben die Kieler in dieser Spielzeit in Magdeburg (31:32) und bei den Rhein-Neckar Löwen (25:26). Nicht jeder der elf Siege war allerdings souverän (27:26 gegen Leipzig, 30:27 gegen Ludwigshafen, 30:27 in Lemgo). Die Bilanz des TVB gegen Kiel ist bei acht Niederlagen in acht Spielen zwar ernüchternd. Vor allem aber die gute Leistung aus der vergangenen Saison muss dem TVB Mut machen. Bei ihrem 30:27-Sieg in der Porsche-Arena hatten die Kieler große Schwierigkeiten.

Jürgen Schweikardt bangt noch um Adam Lönn. Der Schwede saß gegen Nordhorn wegen einer schmerzhaften Fersenprellung 60 Minuten auf der Bank. Deshalb musste der Trainer auch seinen zuletzt bewährten Mittelblock mit Lönn und Samuel Röthlisberger austauschen. Manuel Späth und Dominik Weiß waren jedoch gute Vertreter. Ob es für Lönn gegen Kiel schon reichen wird, dürfte sich kurzfristig entscheiden.

1800 Tickets waren am Montag verkauft. Das bedeutet, für Kurzentschlossene sind noch rund 400 Karten an der Abendkasse erhältlich. Sie öffnet um 18.30 Uhr.

Quelle: Thomas Wagner / ZVW